Leidet Nathanael unter einer psychischen Störung?
Das epische Werk „Der Sandmann“ erschien im Jahre 1816 von E.T.A. Hoffmann und befasst sich mit den Themen dunkle Mächte, Angst, Verlust und Wahrnehmungskrisen.Der junge Student Nathanael wird Opfer dunkler Mächte und tötet sich am Ende vom Wahnsinn gepackt selbst, indem er von einem Ratsturm springt.
Die Erzählung beginnt mit den drei Briefen, zwei davon waren von Nathanael an Lothar und eine von Clara an Nathanael gerichtet. Dem Leser wird erst später deutlich, wer überhaupt Lothar und Clara sind und auch wie es genau zu Nathanaels Tod kam. In den Briefen wird der Beginn der traurigen Geschichte Nathanaels erzählt, wie er seinen Vater verlor und von Trauer und Angst begleitet wird. Die Schuld an dem Tod seines Vaters gab er, wie er selbst glaubte, dem Sandmann, bzw. Advokat Coppelius. Die Vergangenheit Nathanaels, sein Verlust und seine Angst gegenüber dem Coppelius, beeinflusst sein weiteres Vorgehen und Handeln in der Geschichte. Seine Wahrnehmung verliert mehr an Realität und sein Wahnsinn lässt ihn nicht mehr los. Wird hier eine psychische Störung deutlich?
Seine Kindheit beginnt mit der Geschichte des Sandmannes, die er in einem Brief erklärt. Einerseits wurde er von Coppelius gefoltert „[...]riss mich auf und warf mich auf den Herd, dass die Flamme meine Haare zu sengen begann[...]“ (s.4) aber andererseits soll der Coppelius schuld an Nathanaels Vaters Tod sein „Coppelius, verruchter Satan, du hast den Vater erschlagen!“ (s.6). Als Leser empfindet man, als hätte er den Verlust in seinem späteren Leben verarbeitet, jedoch kann er den Rückschlag in seiner Kindheit nicht vergessen. Nathanael macht sich weiterhin Gedanken über den Coppelius, denn er soll seinen Namen umgeändert haben zu Giuseppe Coppola, jedoch verneint er, dass er Coppelius sein könnte. Seine Verlobte, Clara, verneint jegliche Existenz des Sandmannes und dass er Coppelius sein sollte. Vielmehr versucht sie die Ereignisse zu erklären „[...],alles Entsetzliche und Schreckliche, wovon Du sprichst, nur in Deinem Innern vorging, die wahre wirkliche Aussenwelt aber daran wohl wenig teilhatte“ (s.7). Clara spricht auch über die dunklen Mächte „gibt es eine dunkle Macht, die so recht feindlich und verräterisch einen Faden in unser Inneres legt [...]“ (s.8). Jedoch handelt der Hauptteil der Geschichte vielmehr von Olimpia, die Tochter des Professors Spalanzani, die nur wenig sprach „Ach, Ach!“(s.18) und als selbstkonstruierte, leblose Puppe, interpretiert werden kann. Die Aufmerksamkeit Nathanaels widmet sich Olimpia und diese so schnell, dass ihm dennoch bewusst wird, dass er eine Geliebte hat. Handelt es sich hier um eine Manipulation, die man Nathanael mithilfe des Taschenperspektivs, die er von Coppola abgekauft hatte (s.16), antat oder hat sein Wahnsinn ihn tatsächlich eingeholt? Der Tod Olimpias nahm ihn sehr mit, jedoch war es dieses Ereignis, welches seinen Wahnsinn erweckt hatte. So von Wahnsinn gepackt, nahm dann auch sein Leben ein Ende.
Von Wahnsinn gesteuert, lässt sich nicht einmal mehr sagen, ob der Sandmann nur eine Fiktion Nathanaels oder doch Realität sei. Nathanael war geblendet von dem Ammenmärchen, die ihm die alte Frau erzählte (s.2). Coppelius ass manchmal gemeinsam mit Nathanael und seiner Familie, wobei er nie das Gefühl hatte, dass er böse Absichten hatte. Aus der anfänglichen Neugier wuchs eine Angst, welche der Beginn seines Traumas bedeutete. Auch Clara war derselben Meinung ,,Widerwärtig genug mag der alte Coppelius gewesen sein, aber dass er Kinder hasste, das brachte in Euch Kindern wahre Abscheu gegen ihn hervor“ (s.7). Nathanaels Alter zu jenem Zeitpunkt brachte ihn nur noch mehr dazu, den alten Kinderhasser zu verabscheuen.
Schon zu beginn, als er einen Brief an Lothar schrieb, erklärte er wie der Coppelius ihn quälte„[...]riss mich auf und warf mich auf den Herd, dass die Flamme meine Haare zu sengen begann[...]Und damit fasste er mich gewaltig, dass die Gelenke knackten, und schrob mir die Hände ab und die Füsse setzen sie bald hier, bald dort wieder ein“ (s.4/5), so als hätte man Nathanaels Körper deformiert und er trotz all dem noch am Leben war. Als hätte man ihn zu einer Maschine, die keine Schmerzen spürte, umgeformt. Es kann nicht möglich sein, dass Nathanael nach seinen Verletzungen, die ihm Coppelius antat, wohlauf war und keine bestimmten Wunden zu sehen waren. Er hatte ihm die Hände und die Füsse abgeschraubt und die wieder eingesetzt, ohne dass Nathanael Schaden daran nahm? Der Nathanael war so geblendet von der Geschichte des Sandmannes, dass es sein Unterbewusstsein beeinflusste und er sich die Quälerei viel schlimmer vorstellte, sie viel überspitzter in seiner Fantasie darstellte, als sie wahrscheinlich war. Weiteres kann man daraus schliessen, dass Clara der Ansicht ist, dass es nur tief in seinem Innern vor sich geht „[...],alles Entsetzliche und Schreckliche, wovon Du sprichst, nur in Deinem Innern vorging, die wahre wirkliche Aussenwelt aber daran wohl wenig teilhatte“ (s.7), „Natürlich Verknüpfte sich nun in Deinem kindischen Gemüt der schreckliche Sandmann aus dem Ammenmärchen mit dem alten Coppelius, [...]“ (s.7). In seinen sehr jungen Jahren musste er den Schmerz des Verlustes spüren, der ihn möglicherweise nicht los liess. So versucht er sich selbst an etwas festzuhalten, dass nicht vorhanden ist. Es wäre wie ein Kampf mit seinem eigenen Spiegelbild, mit seinem Innern, gewesen ,, [...], so geht wohl jene unheimliche Macht unter in dem vergeblichen Ringen nach der Gestalt, die unser eigenes Spiegelbild sein sollte. [...]Es ist ein Phantom unseres eigenen Ichs, dessen innige Verwandtschaft und dessen tiefe Einwirkung auf unser Gemüt uns in die Hölle wirft, oder in den Himmel verzückt“ (s.8).Er kann es nicht glauben, dass sein Vater an einem Experiment gestorben sei, sondern versucht sich mehr und mehr die Geschichte einzubilden, dass es den bösen Sandmann gäbe, um einen Mörder und somit einen Schuldigen des Geschehenen zu haben. Er bemerkt jedoch nicht, dass das alles nur in seinem Innern ist. So geblendet von Coppelius, verliert er den Verstand und es entwickelt sich eine psychische Störung.
Als eines Tages der Wetterglashändler Coppola in die Stube eintrat und Nathanael etwas verkaufen wollte, geschah etwas, was einem als Leser als irrational vorkommt ,,[...]griff in die weiten Rocktaschen und holte mehr und mehr Brillen heraus, die er auf den Tisch legte [...]Tausende Augen blickten und zuckten krampfhaft und starrten auf zum Nathanael [...] und schossen ihre blutrote Strahlen in Nathanaels Brust“ (s.16). Die Augen, die er sah, erinnerten ihn an seine Kindheit, als er zum ersten Mal sah, wer in das Zimmer seines Vaters trat. Er war der Unbekannte, der sich als Advokat Coppelius entpuppte. Nathanael war schockierter als jemals zuvor, denn der behauptete, dass er der Sandmann sei. Er musste immer, wenn der Unbekannte nachts zu ihnen kam, sofort ins Bett gehen. Somit entstand in seiner Einbildung die Verbindung, dass wenn der Sandmann kommt Nathanael immer zu Bett gehen musste „‘‘Nun Kinder!-zu Bett! der Sandmann kommt, ich merke es schon.“ Wirklich hörte ich dann jedesmal etwas schweren langsamen Tritts die Treppen heraufpoltern; das musste der Sandmann sein“ (s.2).
An diesem Tag, als Coppelius den jungen Nathanael erwischte, sagte er ,,Augen her, Augen her“ (s.4). Was wenn er eine Verbindung schuf, als er auch die Brillen sah? Was, wenn er die Brillen als eine Bedrohung ansah, denn eine Brille hilft einem Menschen besser sehen zu können? Durch seine Verbindung, Brillen und Augen, wurde er vom Wahnsinn gepackt und stellte sich die blutigen Augen vor, die der Sandmann, nach der Geschichte der alten Frau, den Kindern nahm. Die blutigen Augen sieht Nathanael immer wieder, sogar als Olimpia stirbt, bzw. zerstört wird. Hier wird seine psychische Instabilität oder sogar die Besessenheit eindeutig gezeigt. ,,Erstarrt stand Nathanael-nur zu deutlich hatte er gesehen, Olimpias toderbleichtes Gesicht hatte keine Augen [...]Nun sah Nathanael, wie ein Paar blutige Augen auf dem Boden liegend ihn anstarrten, die ergriff Spalanzani mit der unverletzten Hand und warf sie nach ihm, dass sie seine Brust trafen.-Da packte ihn der Wahnsinn[...]“ (s.22).
Aber bevor er diese Augen sah, gab es einen Augenblick in seinem Leben, wo er selbst ein Gedicht schrieb, dass die Erfindung der blutigen Augen, die in seiner Brust strahlten, von ihm selbst kam. An einem Tag schrieb Nathanael ein Gedicht, welches von Coppelius handelte. Dem Nathanael kam eine düstere Ahnung, dass Coppelius sein Liebesglück stören werde und nahm ihn als Gegenstand in einer seiner Gedichte. Das Gedicht handelt von seinem Liebesglück, als Clara vor dem Traualtar stand uns plötzlich erschien der entsetzliche Coppelius und berührte Claras „holde Augen; die springen in Nathanaels Brust wie blutige Funken sengend und brennend“. Coppelius fasste diese und warf sie dann in einen flammenden Feuerkreis (s.13). Er erschuf die Gestalt des Sandmannes als Coppelius in seiner Fantasie in Form eines Gedichtes, die sein Leben so beeinflusste, dass es ihm vorkam, als wäre diese real. Diese blutigen Augen stellte er sich auch vor, als der Wetterglashändler ihm etwas verkaufen wollte. Da sah er auch die blutigen Augen, die in seine Brust einen Strahl hineindrängen (s.16).
Die blutigen Augen, die er sah, erinnern ihn möglicherweise an seine traurige Kindheit und nimmt sie so gleichzeitig in Verbindung mit dem Coppelius, auch weil er in seiner Einbildungskraft die Rolle der blutigen Augen selber erfand. Der Wahnsinn fasste ihn, sodass er „Feuerkreis-Feuerkreis! Dreh dich Feuerkreis-lustig-lustig!“ artikulierte (s.22). Die Tat, dass Olimpia starb und er diese als lustig empfand, ist sehr drollig, jedoch war er zu diesem Zeitpunkt so wahnsinnig, dass er „Holzpüppchen hui schön Holzpüppchen dreh dich“ (s.22) sagte und sich plötzlich auf den Professor warf und ihm plötzlich die Kehle zudrücken wollte. Hier hat ihn sein Wahnsinn eindeutig eingeholt.Die Augen könnten als Symbol der Geschichte gelten, denn diese lösen immer wieder seine Angst gegenüber Coppelius aus, die er möglicherweise selber erschuf. Auch das Feuermotiv kommt etliche Male während der Erzählung vor. Das Feuer steht immer am Anfang einer Veränderung, darunter die Explosion (s.6) und der Hausbrand (s.15). Feuer und Hitze bedeuten hier zunehmenden Wahnsinn.
Nicht zu vergessen, ist hier die Bedeutung seines veränderten Namens zu Guiseppe Coppola. Coppola kommt von dem italienischen Wort „coppo“, dass die Augenhöhle bezeichnet. Die Augenhöhlen werden sichtbar, wenn Coppelius die Augen der Kinder als „Sandmann“ entnimmt, wie beispielsweise bei Olimpia, als man nur noch ihre schwarzen Höhlen sah (s.22). Letztlich führten die Erscheinungen des Coppelius zu immer weiteren Zusammenbrüchen, wie Olimpias Tod und sogar sein eigener Tod „[...]; unter ihnen ragte riesengross der Advokat Coppelius hervor[...]“ (s.24). Nicht nur das, sondern auch das Perspektiv, das Taschenfernrohr, welches er beim Wetterglashändler kaufte, führte zu einer Manipulierung seiner Sicht. Als er und Clara auf dem Ratsturm standen und er den „sonderbaren kleinen grauen Busch, der ordentlich auf uns (Clara und Nathanael) los zu schreien scheint“ (s.24), beobachten wollte, kam sein Wahnsinn wieder hervor. „Nathanael fasste mechanisch nach der Seitentasche; er fand Coppolas Perspektiv, er schaute seitwärts-Clara stand vor dem Glas! Da zuckte er krampfhaft in seinen Puls und Adern- [...],,Holzpüppchen dreh dich[...]‘‘ (s.24). Wiederum löste hier etwas sein Wahnsinn aus und geblendet von seinem Wahnsinn, konnte er sich nicht mehr erholen. Es war sein Taschenperspektiv, welches zusätzlich seine Sicht manipulierte und somit seine Wahnvorstellungen auslöste. Es ging so weit, dass sein Wahnsinn ihm sein Leben nahm ,,Nun raste Nathanael herum auf die Galerie und sprach hoch in die Lüfte und schrie ‘‘Feuerkreis dreh dich- Feuerkreis dreh dich“ “(s.24). Genauso, wie er es selbst in einer seiner Gedichte schrieb (s.13).
In diesem Werk wird Nathanaels psychische Krankheit durch eine Figur, die in der Geschichte zwei Identitäten imitiert, erweckt. Diese Figur ist der anfängliche Advokat Coppelius (s.3), der aber später seinen Namen zu Guiseppe Coppola ändert (s.3).Es erklärt aber auch das romantische Doppelgänger-Motiv. Darunter zu verstehen ist einerseits als Objekt-Duplizierung, eine in „mehrfach Gestalt auftretende Person“ oder andererseits als Subjekt-Duplizierung, eine „Abspaltung der eigenen Identität“. In der Geschichte „Der Sandmann“ ändert Advokat Coppelius seine Identität zu Guiseppe Coppola, der eigentlich immer noch dasselbe Ziel verfolgt und immer noch in derselben Gestalt auftritt, der Nathanaels Wahnsinn auslöst.
Anfang des 20. Jahrhunderts verfasst der österreichische Psychiater Otto Rank (1884-1939) eine psychoanalytische Studie zum Doppelgänger. Er sagt, dass der Doppelgänger als eine Schöpfung des Unbewussten, die der Abwehr des eigenen Todes, gelten kann. Dies bezieht er mit den Werken von E.T.A Hoffmann, der auch der Verfasser des Werks „Der Sandmann“ ist. Seine Kindheit war von seiner hysterischen Mutter und seinem strengen Onkel geprägt. Auch seine Alkoholabhängigkeit, einer versuchten Nüchternheit folgend, befand er sich zwischen Rausch und Scharfsinn, was erklären könnte, wieso Nathanael vom Wahnsinn geprägt ist (vgl. Kommunikationsmodell). Auch er hatte eine schreckliche Kindheit, die ihn bis zu seinem Tod verfolgte.Die anfängliche Angst, die von seiner Kindheit und der Geschichte des Ammenmärchens beeinflusst wurde, führte zu einem Wahnsinn, welcher Nathanael nicht mehr abwenden konnte. Seine psychische Störung liess ihn nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden. Von seiner selbst erfundenen Geschichte in seiner Fantasie und seinem Gedicht, bringt er sich schlussendlich selbst um.
Psychische Krankheit, auch psychische oder seelische Störung genannt, ist ein Zustandsbild, die durch Veränderung der Erfahrung und des Verhaltens im Zusammenhang mit der Krankheit gekennzeichnet ist. Es kann von Abweichungen von Wahrnehmung, Denken, Fühlen und sogar Selbstwahrnehmung begleitet werden. Psychische Störungen sind normalerweise mit schwerer persönlicher Belastung oder Stress und Problemen in bestimmten Lebensbereichen verbunden. Deshalb kann man davon sprechen, dass Nathanael von einer psychischen Belastung betroffen ist. Heutzutage sind psychische Störungen kein Einzelschicksal mehr, denn nach der WHO (Weltgesundheitsorganisation) leidet jeder dritte Mensch schätzungsweise mindestens einmal im Leben an einer psychischen Erkrankung. Sie gehören zu den häufigsten Beratungsanlässen bei Praxen und Hausärzten. Aus diesem Grund sollten psychische Störungen niemals unterschätzt werden, denn diese könnten zum Selbstmord, wie auch bei Nathanael, führen.
Die Erzählung beginnt mit den drei Briefen, zwei davon waren von Nathanael an Lothar und eine von Clara an Nathanael gerichtet. Dem Leser wird erst später deutlich, wer überhaupt Lothar und Clara sind und auch wie es genau zu Nathanaels Tod kam. In den Briefen wird der Beginn der traurigen Geschichte Nathanaels erzählt, wie er seinen Vater verlor und von Trauer und Angst begleitet wird. Die Schuld an dem Tod seines Vaters gab er, wie er selbst glaubte, dem Sandmann, bzw. Advokat Coppelius. Die Vergangenheit Nathanaels, sein Verlust und seine Angst gegenüber dem Coppelius, beeinflusst sein weiteres Vorgehen und Handeln in der Geschichte. Seine Wahrnehmung verliert mehr an Realität und sein Wahnsinn lässt ihn nicht mehr los. Wird hier eine psychische Störung deutlich?
Seine Kindheit beginnt mit der Geschichte des Sandmannes, die er in einem Brief erklärt. Einerseits wurde er von Coppelius gefoltert „[...]riss mich auf und warf mich auf den Herd, dass die Flamme meine Haare zu sengen begann[...]“ (s.4) aber andererseits soll der Coppelius schuld an Nathanaels Vaters Tod sein „Coppelius, verruchter Satan, du hast den Vater erschlagen!“ (s.6). Als Leser empfindet man, als hätte er den Verlust in seinem späteren Leben verarbeitet, jedoch kann er den Rückschlag in seiner Kindheit nicht vergessen. Nathanael macht sich weiterhin Gedanken über den Coppelius, denn er soll seinen Namen umgeändert haben zu Giuseppe Coppola, jedoch verneint er, dass er Coppelius sein könnte. Seine Verlobte, Clara, verneint jegliche Existenz des Sandmannes und dass er Coppelius sein sollte. Vielmehr versucht sie die Ereignisse zu erklären „[...],alles Entsetzliche und Schreckliche, wovon Du sprichst, nur in Deinem Innern vorging, die wahre wirkliche Aussenwelt aber daran wohl wenig teilhatte“ (s.7). Clara spricht auch über die dunklen Mächte „gibt es eine dunkle Macht, die so recht feindlich und verräterisch einen Faden in unser Inneres legt [...]“ (s.8). Jedoch handelt der Hauptteil der Geschichte vielmehr von Olimpia, die Tochter des Professors Spalanzani, die nur wenig sprach „Ach, Ach!“(s.18) und als selbstkonstruierte, leblose Puppe, interpretiert werden kann. Die Aufmerksamkeit Nathanaels widmet sich Olimpia und diese so schnell, dass ihm dennoch bewusst wird, dass er eine Geliebte hat. Handelt es sich hier um eine Manipulation, die man Nathanael mithilfe des Taschenperspektivs, die er von Coppola abgekauft hatte (s.16), antat oder hat sein Wahnsinn ihn tatsächlich eingeholt? Der Tod Olimpias nahm ihn sehr mit, jedoch war es dieses Ereignis, welches seinen Wahnsinn erweckt hatte. So von Wahnsinn gepackt, nahm dann auch sein Leben ein Ende.
Von Wahnsinn gesteuert, lässt sich nicht einmal mehr sagen, ob der Sandmann nur eine Fiktion Nathanaels oder doch Realität sei. Nathanael war geblendet von dem Ammenmärchen, die ihm die alte Frau erzählte (s.2). Coppelius ass manchmal gemeinsam mit Nathanael und seiner Familie, wobei er nie das Gefühl hatte, dass er böse Absichten hatte. Aus der anfänglichen Neugier wuchs eine Angst, welche der Beginn seines Traumas bedeutete. Auch Clara war derselben Meinung ,,Widerwärtig genug mag der alte Coppelius gewesen sein, aber dass er Kinder hasste, das brachte in Euch Kindern wahre Abscheu gegen ihn hervor“ (s.7). Nathanaels Alter zu jenem Zeitpunkt brachte ihn nur noch mehr dazu, den alten Kinderhasser zu verabscheuen.
Schon zu beginn, als er einen Brief an Lothar schrieb, erklärte er wie der Coppelius ihn quälte„[...]riss mich auf und warf mich auf den Herd, dass die Flamme meine Haare zu sengen begann[...]Und damit fasste er mich gewaltig, dass die Gelenke knackten, und schrob mir die Hände ab und die Füsse setzen sie bald hier, bald dort wieder ein“ (s.4/5), so als hätte man Nathanaels Körper deformiert und er trotz all dem noch am Leben war. Als hätte man ihn zu einer Maschine, die keine Schmerzen spürte, umgeformt. Es kann nicht möglich sein, dass Nathanael nach seinen Verletzungen, die ihm Coppelius antat, wohlauf war und keine bestimmten Wunden zu sehen waren. Er hatte ihm die Hände und die Füsse abgeschraubt und die wieder eingesetzt, ohne dass Nathanael Schaden daran nahm? Der Nathanael war so geblendet von der Geschichte des Sandmannes, dass es sein Unterbewusstsein beeinflusste und er sich die Quälerei viel schlimmer vorstellte, sie viel überspitzter in seiner Fantasie darstellte, als sie wahrscheinlich war. Weiteres kann man daraus schliessen, dass Clara der Ansicht ist, dass es nur tief in seinem Innern vor sich geht „[...],alles Entsetzliche und Schreckliche, wovon Du sprichst, nur in Deinem Innern vorging, die wahre wirkliche Aussenwelt aber daran wohl wenig teilhatte“ (s.7), „Natürlich Verknüpfte sich nun in Deinem kindischen Gemüt der schreckliche Sandmann aus dem Ammenmärchen mit dem alten Coppelius, [...]“ (s.7). In seinen sehr jungen Jahren musste er den Schmerz des Verlustes spüren, der ihn möglicherweise nicht los liess. So versucht er sich selbst an etwas festzuhalten, dass nicht vorhanden ist. Es wäre wie ein Kampf mit seinem eigenen Spiegelbild, mit seinem Innern, gewesen ,, [...], so geht wohl jene unheimliche Macht unter in dem vergeblichen Ringen nach der Gestalt, die unser eigenes Spiegelbild sein sollte. [...]Es ist ein Phantom unseres eigenen Ichs, dessen innige Verwandtschaft und dessen tiefe Einwirkung auf unser Gemüt uns in die Hölle wirft, oder in den Himmel verzückt“ (s.8).Er kann es nicht glauben, dass sein Vater an einem Experiment gestorben sei, sondern versucht sich mehr und mehr die Geschichte einzubilden, dass es den bösen Sandmann gäbe, um einen Mörder und somit einen Schuldigen des Geschehenen zu haben. Er bemerkt jedoch nicht, dass das alles nur in seinem Innern ist. So geblendet von Coppelius, verliert er den Verstand und es entwickelt sich eine psychische Störung.
Als eines Tages der Wetterglashändler Coppola in die Stube eintrat und Nathanael etwas verkaufen wollte, geschah etwas, was einem als Leser als irrational vorkommt ,,[...]griff in die weiten Rocktaschen und holte mehr und mehr Brillen heraus, die er auf den Tisch legte [...]Tausende Augen blickten und zuckten krampfhaft und starrten auf zum Nathanael [...] und schossen ihre blutrote Strahlen in Nathanaels Brust“ (s.16). Die Augen, die er sah, erinnerten ihn an seine Kindheit, als er zum ersten Mal sah, wer in das Zimmer seines Vaters trat. Er war der Unbekannte, der sich als Advokat Coppelius entpuppte. Nathanael war schockierter als jemals zuvor, denn der behauptete, dass er der Sandmann sei. Er musste immer, wenn der Unbekannte nachts zu ihnen kam, sofort ins Bett gehen. Somit entstand in seiner Einbildung die Verbindung, dass wenn der Sandmann kommt Nathanael immer zu Bett gehen musste „‘‘Nun Kinder!-zu Bett! der Sandmann kommt, ich merke es schon.“ Wirklich hörte ich dann jedesmal etwas schweren langsamen Tritts die Treppen heraufpoltern; das musste der Sandmann sein“ (s.2).
An diesem Tag, als Coppelius den jungen Nathanael erwischte, sagte er ,,Augen her, Augen her“ (s.4). Was wenn er eine Verbindung schuf, als er auch die Brillen sah? Was, wenn er die Brillen als eine Bedrohung ansah, denn eine Brille hilft einem Menschen besser sehen zu können? Durch seine Verbindung, Brillen und Augen, wurde er vom Wahnsinn gepackt und stellte sich die blutigen Augen vor, die der Sandmann, nach der Geschichte der alten Frau, den Kindern nahm. Die blutigen Augen sieht Nathanael immer wieder, sogar als Olimpia stirbt, bzw. zerstört wird. Hier wird seine psychische Instabilität oder sogar die Besessenheit eindeutig gezeigt. ,,Erstarrt stand Nathanael-nur zu deutlich hatte er gesehen, Olimpias toderbleichtes Gesicht hatte keine Augen [...]Nun sah Nathanael, wie ein Paar blutige Augen auf dem Boden liegend ihn anstarrten, die ergriff Spalanzani mit der unverletzten Hand und warf sie nach ihm, dass sie seine Brust trafen.-Da packte ihn der Wahnsinn[...]“ (s.22).
Aber bevor er diese Augen sah, gab es einen Augenblick in seinem Leben, wo er selbst ein Gedicht schrieb, dass die Erfindung der blutigen Augen, die in seiner Brust strahlten, von ihm selbst kam. An einem Tag schrieb Nathanael ein Gedicht, welches von Coppelius handelte. Dem Nathanael kam eine düstere Ahnung, dass Coppelius sein Liebesglück stören werde und nahm ihn als Gegenstand in einer seiner Gedichte. Das Gedicht handelt von seinem Liebesglück, als Clara vor dem Traualtar stand uns plötzlich erschien der entsetzliche Coppelius und berührte Claras „holde Augen; die springen in Nathanaels Brust wie blutige Funken sengend und brennend“. Coppelius fasste diese und warf sie dann in einen flammenden Feuerkreis (s.13). Er erschuf die Gestalt des Sandmannes als Coppelius in seiner Fantasie in Form eines Gedichtes, die sein Leben so beeinflusste, dass es ihm vorkam, als wäre diese real. Diese blutigen Augen stellte er sich auch vor, als der Wetterglashändler ihm etwas verkaufen wollte. Da sah er auch die blutigen Augen, die in seine Brust einen Strahl hineindrängen (s.16).
Die blutigen Augen, die er sah, erinnern ihn möglicherweise an seine traurige Kindheit und nimmt sie so gleichzeitig in Verbindung mit dem Coppelius, auch weil er in seiner Einbildungskraft die Rolle der blutigen Augen selber erfand. Der Wahnsinn fasste ihn, sodass er „Feuerkreis-Feuerkreis! Dreh dich Feuerkreis-lustig-lustig!“ artikulierte (s.22). Die Tat, dass Olimpia starb und er diese als lustig empfand, ist sehr drollig, jedoch war er zu diesem Zeitpunkt so wahnsinnig, dass er „Holzpüppchen hui schön Holzpüppchen dreh dich“ (s.22) sagte und sich plötzlich auf den Professor warf und ihm plötzlich die Kehle zudrücken wollte. Hier hat ihn sein Wahnsinn eindeutig eingeholt.Die Augen könnten als Symbol der Geschichte gelten, denn diese lösen immer wieder seine Angst gegenüber Coppelius aus, die er möglicherweise selber erschuf. Auch das Feuermotiv kommt etliche Male während der Erzählung vor. Das Feuer steht immer am Anfang einer Veränderung, darunter die Explosion (s.6) und der Hausbrand (s.15). Feuer und Hitze bedeuten hier zunehmenden Wahnsinn.
Nicht zu vergessen, ist hier die Bedeutung seines veränderten Namens zu Guiseppe Coppola. Coppola kommt von dem italienischen Wort „coppo“, dass die Augenhöhle bezeichnet. Die Augenhöhlen werden sichtbar, wenn Coppelius die Augen der Kinder als „Sandmann“ entnimmt, wie beispielsweise bei Olimpia, als man nur noch ihre schwarzen Höhlen sah (s.22). Letztlich führten die Erscheinungen des Coppelius zu immer weiteren Zusammenbrüchen, wie Olimpias Tod und sogar sein eigener Tod „[...]; unter ihnen ragte riesengross der Advokat Coppelius hervor[...]“ (s.24). Nicht nur das, sondern auch das Perspektiv, das Taschenfernrohr, welches er beim Wetterglashändler kaufte, führte zu einer Manipulierung seiner Sicht. Als er und Clara auf dem Ratsturm standen und er den „sonderbaren kleinen grauen Busch, der ordentlich auf uns (Clara und Nathanael) los zu schreien scheint“ (s.24), beobachten wollte, kam sein Wahnsinn wieder hervor. „Nathanael fasste mechanisch nach der Seitentasche; er fand Coppolas Perspektiv, er schaute seitwärts-Clara stand vor dem Glas! Da zuckte er krampfhaft in seinen Puls und Adern- [...],,Holzpüppchen dreh dich[...]‘‘ (s.24). Wiederum löste hier etwas sein Wahnsinn aus und geblendet von seinem Wahnsinn, konnte er sich nicht mehr erholen. Es war sein Taschenperspektiv, welches zusätzlich seine Sicht manipulierte und somit seine Wahnvorstellungen auslöste. Es ging so weit, dass sein Wahnsinn ihm sein Leben nahm ,,Nun raste Nathanael herum auf die Galerie und sprach hoch in die Lüfte und schrie ‘‘Feuerkreis dreh dich- Feuerkreis dreh dich“ “(s.24). Genauso, wie er es selbst in einer seiner Gedichte schrieb (s.13).
In diesem Werk wird Nathanaels psychische Krankheit durch eine Figur, die in der Geschichte zwei Identitäten imitiert, erweckt. Diese Figur ist der anfängliche Advokat Coppelius (s.3), der aber später seinen Namen zu Guiseppe Coppola ändert (s.3).Es erklärt aber auch das romantische Doppelgänger-Motiv. Darunter zu verstehen ist einerseits als Objekt-Duplizierung, eine in „mehrfach Gestalt auftretende Person“ oder andererseits als Subjekt-Duplizierung, eine „Abspaltung der eigenen Identität“. In der Geschichte „Der Sandmann“ ändert Advokat Coppelius seine Identität zu Guiseppe Coppola, der eigentlich immer noch dasselbe Ziel verfolgt und immer noch in derselben Gestalt auftritt, der Nathanaels Wahnsinn auslöst.
Anfang des 20. Jahrhunderts verfasst der österreichische Psychiater Otto Rank (1884-1939) eine psychoanalytische Studie zum Doppelgänger. Er sagt, dass der Doppelgänger als eine Schöpfung des Unbewussten, die der Abwehr des eigenen Todes, gelten kann. Dies bezieht er mit den Werken von E.T.A Hoffmann, der auch der Verfasser des Werks „Der Sandmann“ ist. Seine Kindheit war von seiner hysterischen Mutter und seinem strengen Onkel geprägt. Auch seine Alkoholabhängigkeit, einer versuchten Nüchternheit folgend, befand er sich zwischen Rausch und Scharfsinn, was erklären könnte, wieso Nathanael vom Wahnsinn geprägt ist (vgl. Kommunikationsmodell). Auch er hatte eine schreckliche Kindheit, die ihn bis zu seinem Tod verfolgte.Die anfängliche Angst, die von seiner Kindheit und der Geschichte des Ammenmärchens beeinflusst wurde, führte zu einem Wahnsinn, welcher Nathanael nicht mehr abwenden konnte. Seine psychische Störung liess ihn nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden. Von seiner selbst erfundenen Geschichte in seiner Fantasie und seinem Gedicht, bringt er sich schlussendlich selbst um.
Psychische Krankheit, auch psychische oder seelische Störung genannt, ist ein Zustandsbild, die durch Veränderung der Erfahrung und des Verhaltens im Zusammenhang mit der Krankheit gekennzeichnet ist. Es kann von Abweichungen von Wahrnehmung, Denken, Fühlen und sogar Selbstwahrnehmung begleitet werden. Psychische Störungen sind normalerweise mit schwerer persönlicher Belastung oder Stress und Problemen in bestimmten Lebensbereichen verbunden. Deshalb kann man davon sprechen, dass Nathanael von einer psychischen Belastung betroffen ist. Heutzutage sind psychische Störungen kein Einzelschicksal mehr, denn nach der WHO (Weltgesundheitsorganisation) leidet jeder dritte Mensch schätzungsweise mindestens einmal im Leben an einer psychischen Erkrankung. Sie gehören zu den häufigsten Beratungsanlässen bei Praxen und Hausärzten. Aus diesem Grund sollten psychische Störungen niemals unterschätzt werden, denn diese könnten zum Selbstmord, wie auch bei Nathanael, führen.